ÜBER DIE FOLGEN ATYPISCHER ARBEITSVERHÄLTNISSE

ARM TROTZ ARBEIT

Erwerbsarbeit gilt als einer der wichtigsten Schutzfaktoren vor Armut. So zumindest lautet die gängige Argumentation, dass Berufstätige durch ihr erarbeitetes Einkommen vor Armut und sozialer Ausgrenzung geschützt seien. Dementgegen steht jedoch die Tatsache, dass immer mehr Menschen, trotz Anstellung unter der Armutsgefährdungsschwelle (aktuell 1.286€ monatlich für einen Einpersonenhaushalt) leben. In diesem Zusammenhang kann die sogenannte „Erwerbsarmut“ auch bekannt als working poor, als Begriff für die Armut, trotz Erwerbstätigkeit, genannt werden.

 

Atypische Beschäftigungsverhältnisse
Armut trotz Lohnarbeit ist eine vergleichsweise neue Entwicklung, welche stark von den gängigen Vorstellungen über „Normalarbeitsverhältnisse“ abweicht. Während etwa die Zahl der Deutschen, die trotz Vollzeitbeschäftigung von Armut betroffen waren von 4,9 % im Jahr 2004, auf bereits 7,5 % im Jahr 2010 gestiegen ist, liegt die Zahl der Personen in Österreich, die trotz Erwerbsarbeit in Armutslagen geraten, aktuell bei 306.000 Betroffen. [1] [2]

Als atypische Arbeitsverhältnisse können befristete Arbeitsverhältnisse, Teilzeitarbeit, geringfügige Beschäftigung, Leiharbeit, Arbeit auf Abruf, Beschäftigungen freier Dienstnehmer*innen, Cloud- beziehungsweise Clickworker oder die neue Selbstständigkeit genannt werden. In vielen Fällen gehen jene Beschäftigungsformen mit einem geringen und ungesicherten Einkommen einher. Daraus resultieren unter anderem existenzielle Unsicherheiten und teilweise stark eingeschränkte Möglichkeiten für Betroffene am gesellschaftlichen Wohlstand teilzuhaben. Um dennoch über die Runden zu kommen müssen viele Personen mit der Mindestsicherung aufstocken. Laut dem Sozialbericht des Landes Salzburg betraf das 2019 in etwa jede*n Zehnte Mindestsicherungsbezieher*in. Somit ist Armut im Wohlstand häufig auch verdeckte Armut. Als weiterer problematischer Nebeneffekt der atypischen Arbeitsverhältnisse kann die Benachteiligung, in vielen Fällen sogar der völlige Ausschluss aus sozialen Sicherungssystemen genannt werden. Beispielsweise muss seitens des/der Arbeitgeber*in für geringfügig Beschäftigte lediglich eine Unfallversicherung abgeschlossen werden.

 

Langfristige Folgen für Frauen
Zudem ist Frauenarmut als Begleiterscheinung atypischer Arbeitsverhältnisse zu nennen, da viele Mütter primär die Aufgaben im Haushalt und der Kindererziehung übernehmen. Daher arbeiten viele Frauen Teilzeit, was wiederum Auswirkungen, wie niedrige  Pensionsansprüche oder fehlenden Anspruch auf Arbeitslosengeld, nach sich zieht.[3] So lag den Berechnungen der AK-Salzburg zufolge das durchschnittliche Bruttoeinkommen von Frauen in Salzburg im Jahr 2018 rund 1.000 Euro unter jenem von Männern. Ein Ergebnis, das sich auch im erst kürzlich stattgefunden Equal Pension Day in Salzburg (29.07) widerspiegelt: Ab diesem Tag haben Männer bereits so viel Pension erhalten, wie Frauen erst bis Jahresende bezogen haben werden.

 

Atypische Arbeitsverhältnisse, Arbeitsmarkt und Arbeitsbedingungen
Ein Mitgrund für die wachsende Anzahl atypisch beschäftigter Personen ist die Ausweitung des Niedriglohnsektors. Die arbeitsmarktpolitisch geschaffenen Rahmenbedingungen tragen allerdings nicht nur zum Anstieg von working poor bei, es ergibt sich noch ein weiterer negativer Effekt: Speziell arbeitslose Personen haben oftmals keine Möglichkeit, prekäre Arbeitsverhältnisse zu verweigern, da dies mit Sanktionen oder Kürzungen des Arbeitslosengeldes einhergehen würde.[4]

Nicht zuletzt ist speziell ein Faktor betreffend atypischer Arbeit äußerst kritisch zu erwähnen: die erschwerten Arbeitsbedingungen, welche besonders häufig im Niedriglohnsektor herrschen. Auch die aktuelle Situation, während der COVID-19-Krise, löste diesbezüglich einige Debatten aus, wie beispielsweise über die körperlich harte und dennoch unterbezahlte Arbeit der händeringend gesuchten Erntehelfer*innen.

Die Aufzählungen rund um harte und unterbezahlte Arbeitsverhältnisse (zum Beispiel Arbeit unter enormen Druck, etwa bei Paketlieferant*innen oder aber auch Nachtarbeit, Schichtarbeit etc.) könnten an dieser Stelle zweifellos ausführlich fortgesetzt werden, jedoch geht aus ihnen eine offensichtliche Form der Benachteiligung hervor, insofern prekäre Arbeitsverhältnisse nicht nur in vielen Fällen unterbezahlt, sondern ebenso gesundheitsgefährdend für Betroffene sind.

 

Gesundheitliche Auswirkungen
In der im August 2020 veröffentlichen Studie der Diakonie zur „Analyse der nicht-krankenversicherten Personen"[5] zeigen sich die Auswirkungen von prekären Lebenslagen auf die Gesundheit. Geringfügig und/oder anders prekär Beschäftigte sind nicht automatisch Pensions- und Krankenversichert. Sie stehen vor der Entscheidung, die rund 65€ für eine private Versicherung zu nutzen oder auf eine Versicherung zu verzichten und dafür die Hefte zum Schulbeginn der Tochter oder sonstige Fixkosten damit zu zahlen. Rechtlich haben Betroffene noch Möglichkeiten, doch Scham und die Angst, dann gar keine Anstellung mehr zu bekommen, führen zum Verbleib in prekären Jobs, mit oft schwerwiegenden Folgen.  

 

"Abschließend zum Thema atypischer Beschäftigung kommt zudem auch die Frage auf, ob und inwiefern eklatante Entlohnungsunterschiede einzelner Bürger*innen gerechtfertigt sind, und wie man der wachsenden gesellschaftlichen Ungleichheit, welche sich unter anderem aufgrund der steigenden Zahl an atypischen, unterbezahlten und prekären Arbeitsverhältnissen zuspitzt, vorbeugen kann?"

 

Autorin: Sophie Mayer

 


[1] Kronauer, Martin/ Tálos, Emmerich (2011) Armut und Wohlfahrtsstaat. In: Verwiebe, Roland (Hg.) Armut in Österreich. Bestandaufnahme, Trends, Risikogruppen. Braumüller, Wien, S. 23-43.

[2] Die Armutskonferenz (2020) http://www.armutskonferenz.at/news/news-2020/306-000-menschen-arm-trotz-erwerbsarbeit-lohndumping-schadet-allen-und-loest-spirale-nach-unten-aus.html

[3] Kronauer, Martin/ Tálos, Emmerich (2011) Armut und Wohlfahrtsstaat. In: Verwiebe, Roland (Hg.) Armut in Österreich. Bestandaufnahme, Trends, Risikogruppen. Braumüller, Wien, S. 23-43.

[4] Seppmann, Werner (2013) Ausgrenzung und Herrschaft. Prekarisierung als Klassenfrage. LaikaVerlag, Hamburg. 

[5] https://diakonie.at/presse-pr/pressetexte/aktuelle-studie-analyse-der-nicht-krankenversicherten-personen-heute

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